Ausstellung zum Thema Heimat auf der Wewelsburg

Heimat hatte lange keinen guten Ruf: ihr schien eine nationalistische Ideologie der Ausgrenzung innezuwohnen und der Staub von Dirndldamen in technicolor anzuhaften. Heimat stand in dem Verdacht, ein verlorener Ort zu sein, den nur Vertriebenenverbände zurückforderten. Sie hatte ihren Platz in den Namen von Vereinen und Museen gefunden.

Das Image hat sich gewandelt. Ob Heimat nun als Gegenentwurf zur Globalisierung funktioniert oder als ländliche Idylle, aus der Zeitschriftenverlage Profit schlagen, ob sie als Kulisse in der Werbung zum Garant für regionale Wertigkeit wird oder durch das Leben mit Migranten und der eigenen, zunehmenden Mobilität in den Fokus rückt – die Heimat ist zurück.

Was ist die Heimat?

In dem Begriff vereinen sich räumliche und sensorische Dimensionen mit einer zeitlichen Komponente. So bezeichnen viele den Ort der Kindheit als Heimat – Schutz, Unbeschwertheit und Apfelkuchen.

Heimat ist auch Vertrautheit mit kulturellen Gepflogenheiten und vor allem mit der Sprache.

Einladungsflyer: Flyer_Ausstellung_Heimat

So vielfältig wie die Heimat ist auch ihr Verlust: das Erwachsenwerden schmilzt die Kindheit, Bauprojekte verändern die vertraute Natur, Freunde und Familienmitglieder entfremden sich oder sterben.

Der größte Schritt aus der Heimat heraus ist allerdings der, den zu machen man gezwungen ist: Heimatverlust durch Krieg, Flucht, Vertreibung oder durch Hunger und Armut.

Während die Heimat auf die Rückkehr des Abenteuerlustigen wartet, bleibt dem Flüchtling nur eine Erinnerung, die ihn begleitet.

Nach 1990 haben viele Menschen erfahren, was es bedeutet, der Heimat beraubt zu werden, ohne sie je verlassen zu haben. Verklärende „Ostalgie“ zeigt, wie sehr das Heimatgefühl mit kulturellen und durchaus auch politischen Strukturen verwoben ist.

 

All diese Facetten des Begriffes Heimat sollen in der geplanten Ausstellung untersucht werden. Sie soll von Mitte Februar bis Mitte April im Burgsaal gezeigt werden.

Darüber hinaus wird auch dem Kreismuseum, seiner Geschichte und der vielfältigen Repräsentation der Heimat auf der Wewelsburg Raum gegeben.

Die einzelnen Themenfelder teilen sich grob in zwei Seiten: Heimat und Fremde. Als verbindendes Element soll ein Medientisch dienen. An diesem können Interviews mit Menschen verschiedener Herkünfte und Migrationsgeschichten gesehen und gehört werden, die in Kooperation mit der Multi-Media-Ag des Bürener Liebfrauengymnasium unter Anleitung von Herrn Martin Rottmann entstanden sind. Jeder der ca. 12 Interviewpartner ist aufgerufen, ein Objekt mitzubringen, das für ihn Heimat repräsentiert. Dieses wird vor dem jeweiligen Monitor unter einer Plexiglasglocke, die den Gedanken, dass alle beim Essen zusammensitzen, wieder aufnimmt, gezeigt.

Um den Besucher zum Beginn der Ausstellung, zur Reflexion über den Begriff Heimat, zu leiten, könnten Fußmatten mit entsprechenden Aufdrucken (Home sweet home, Heimat, Wolkenkuckucksheim, Trautes Heim – Glück allein) dienen. Der Weg wird dann über Natur und Kunst (Gemälde / Objekte aus dem Depot) in die Kulturabteilung führen. Dort schließt sich an die bildende Kunst die Dichtung an. Es folgen Musik und Trachten, zwei Dinge, die sich auch in der Schützentradition wiederfinden. Da diese Art gelebter Heimatpflege auch in der Tradition des Heimatmuseums bis 1933 und der Nutzung der Wewelsburg nach dem Zweiten Weltkrieg eine große Rolle gespielt hat (Internationale Festwochen), soll mit einer weiteren Abteilung daran angeknüpft werden. Von der Eröffnung des Kreisheimatmuseums 1925 gibt es sogar Filmaufnahmen.

Die Zeit zwischen 1933 und 1945 wird als thematisch getrennter Block im Anschluss behandelt. Heimat wird hier als Exklusionsort gesehen, mit Blut-und-Boden-Ideologie verbunden und führt zu Umsiedlungen und Vertreibungen, die bis heute Menschen – auch im Hochstift – betreffen.

Zur Überleitung auf die Seite der „Fremde“ wird es eine Litfaßsäule mit unterschiedlichen „Heimat“-Plakaten und eine plüschige Sofaecke geben.

 

Die Sofaecke wird von einem der IKEA-Regale (Expedit) hinterfangen werden, die als Vitrinen für die Handtaschenausstellung angeschafft wurden. Damit kontrastiert die traditionelle Möbelproduktion des „Gelsenkirchener Barock“, der hier entstanden ist und zusammen mit röhrenden Hirschen und Rauhaardackeln für eine großelterliche Vorstellung von Heimat steht, mit der Anonymisierung des Zuhauses durch einen Konzern, mit dem sich weltweit Menschen einrichten. In dem Regal werden historische und zeitgenössische Souvenirs aus dem Kreis Paderborn gezeigt – wie repräsentiert sich die Heimat selbst?

Des Weiteren werden Zeitschriften und Bücher dazu  dienen, das Bild von Heimat in den Medien zu reflektieren.

Nach dieser heimeligen Zäsur wird der Besucher mit Menschen konfrontiert, die als Auswanderer die Heimat verlassen haben: im 19. Jahrhundert sind auch aus dem Gebiet des heutigen Kreises Paderborn ganze Familien in die USA, in den „Wilden Westen“ ausgewandert, die damit versucht haben, der hohen Arbeitslosigkeit zu entfliehen und ein neues Leben aufzubauen. Gemeinsam mit anderen, ebenfalls plattdeutschsprachigen Auswanderern gründeten sie in der Nähe von St. Louis / Illinois ein neues Paderborn.

In Namibia gibt es ein Camp, das Wewelsburg heißt. Es war von dem Auswanderer Eberhard Hentzen nach Ende des Ersten Weltkriegs als Rinderfarm errichtet worden.

Die Fremde als verklärten Ort der Verheißung zu zeigen, der nicht aus der exotistischen Sicht des Fernreisenden, sondern aus der Perspektive des Wirtschaftsflüchtlings wahrgenommen wird, trägt zum Verständnis für die Situation derjenigen bei, die aus ähnlichen Gründen ins Hochstift einwandern.

Dabei wird zunächst allgemein die Einwanderung mit historischen Daten unterfüttert und es werden allgemein Gründe aufgezeigt, die Menschen dazu bewegen / nötigen, ihre Heimat zu verlassen. Die erste Gruppe, die dabei näher betrachtet werden wird, ist die der Spätaussiedler und Russlanddeutschen. Der Kreis Paderborn hat seit Mitte der 80er Jahre rund 22000 dieser „Heimkehrer“ aufgenommen.

Von diesen Gruppen, deren Geschichte ihrer Migration durch die Deutschlands bedingt ist, geht die Ausstellung über zu den Menschen, die hergekommen sind, um vor Arbeitslosigkeit, Hunger, Gewalt und Verfolgung zu fliehen und im Kreis Paderborn ihrem Leben eine neue Perspektive zu geben.

Den Abschluss der Ausstellung soll ein Blick auf den SC Paderborn bilden. Fußballvereine sind im Leben vieler Jugendlicher eine aktive kulturelle Begegnungsstätte. Der Heimatverein bietet auch dem passiven Zuschauer eine starke Möglichkeit der Identifikation: Paderborner feuern, wenigstens in der Zweiten Liga, ihren SC an. Der interessante Bruch besteht nun in der Tatsache, dass der überwiegende Teil der Spieler nicht aus Paderborn kommt, einige der Profis kommen aus dem Ausland, viele haben einen Migrationshintergrund.

Der Fan verbindet also etwas mit Heimat, was sich aus Fremde zusammensetzt. Dazu wurden zwei Spieler befragt.

In Kooperation mit der Hauptschule Niederntudorf unter Anleitung von Frau Ilona Vorwald sind durch Schülerinnen und Schüler Texte zum Thema Heimat entstanden. Diese werden nicht nur am Abend des 14. März in einer Szenischen Lesung, untermalt und begleitet vom „Chor and more“, vorgetragen, sondern hängen auch in der Ausstellung. Dort führen sie den Besucher auf einen hinterleuchteten Kasten zu, der in der Art einer Collage aus Dioramen zusammengesetzt ist. Diese Miniatur-Heimaten sind die Verbildlichung der Texte und wurden gemeinsam mit den Schülerinnen und Schülern von der Referendarin, Frau Susanne Henning, gebaut.

Ein breitgefächertes Museumspädagogisches Programm bindet die Sonderausstellung an die Dauerausstellungen des Kreismuseums an. An drei besonderen Terminen wird das Programm um Vorstellungen des Theaters Paderborn ergänzt, die einmal „Aus der Mitte der Stadt“ und zweimal „Türkisch Gold“ spielen.

Darüber hinaus hat Annalena Müller mit Unterstützung durch Frau Prof. Dr. Annette Brauerhoch eine Heimatfilmreihe kuratiert, die während der Ausstellungsdauer immer montags um 18 Uhr im Cineplex Paderborn Lang- und Kurzfilme aus den letzten acht Jahrzehnten zeigt